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Überpflegte Haut

Foto: chaoss /shutterstock.com

Überpflegte Haut - Zu viel des Guten

Wenn die Kundin nach der Behandlung den Spiegel in die Hand bekommt, soll sie begeistert sein! Das Ergebnis soll sofort sichtbar sein und sie von regelmässigen Behandlungen und Pflegeprodukten überzeugen. Doch die Gefahr, übers Ziel hinauszuschiessen, ist gross. Was zu tun ist, wenn die Haut überpflegt wurde, erklärt Kosmetikerin Irmi Heindl.

Gerade bei Neukunden, die ein Pflegedefizit haben, ist man schnell verleitet, diesen Mangel sofort ausgleichen zu wollen. Übermässige Verhornungen mit einem stärkeren Peeling abtragen, fahle Haut mit durchblutenden Treatments wieder Frische verleihen, alle Unreinheiten auf einmal entfernen: Wir wollen ganze Arbeit leisten, und den Kunden damit begeistern. Jedoch sollte gerade am Beginn einer Zusammenarbeit mit dem Kunden erst Zeit für eine ausführliche Anamnese eingeplant, Behandlungsschritte mit dem Kunden besprochen und natürlich die Wichtigkeit der Heimpflege mit dem Kunden geklärt werden. Ziel ist immer eine langfristige und kontinuierliche Verbesserung des Haubildes und zwar durch sinnvoll abgestimmte Behandlungen, die aufeinander aufgebaut sind und von der Kundin in der Heimpflege unterstützt werden.

Überpflegt – was nun?

Wer kennt das nicht: Man wollte zu schnell zu viel und nun steht die verärgerte Kundin im Geschäft. Eine entspannte Behandlung und ein strahlend schönes Hautbild wollte sie, und nun das! Überall Pusteln im Gesicht, so hat sie es sich nicht vorgestellt! Das kann doch nur ein Behandlungsfehler sein! Wie gehe ich nun mit einer verärgerten Kundin um? Kann ich sie wieder für eine Zusammenarbeit gewinnen? Oder geht es nur noch um Schadensbegrenzung? Jetzt heisst es erstmal Ruhe bewahren. Die Kundin muss zuerst ihrem Ärger Luft machen. Daher bitten Sie die Kundin am besten in die Kabine, damit Sie das Gespräch weiterführen können, ohne die anderen Personen zu stören. Lassen Sie die Kundin zunächst ausreden, erst danach ist sie aufnahmefähig. Würden Sie jetzt mit ihr diskutieren, würde sich die Situation unnötig zuspitzen. Bitten Sie Ihre Kundin anschliessend auf die Behandlungsliege und stellen der Kundin Fragen zu den Symptomen. Wann und was trat als Hauterscheinung auf, welche Empfindungen, wie z.B. Brennen oder Juckreiz, hatte die Kundin. Fragen Sie auch nach eventuell eingenommenen Medikamenten. Wurden Sonnenbäder genommen oder ein Solarium besucht? Erklären Sie freundlich Ihre Vermutung, warum die Haut auf diese Weise reagiert haben könnte.

Ursachen für Überpflegung

Die Gründe für eine Überpflegung können vielfältig sein. War es eine allergische Reaktion oder Unverträglichkeit oder eine normale Reaktion nach einem intensiveren Treatment wie z.B. einer Mikrodermabrasion, Needling oder einer Fruchtsäurebehandlung, mit der die Kundin so nicht gerechnet hat? Oder steckt eine Wechselwirkung z.B. mit einem Medikament dahinter? Nicht selten ist auch eine Fahrlässigkeit der Kundin die Ursache, z.B. ein Solariumbesuch, ein stärkeres Peeling oder eine IPL-Behandlung oder ein Produkte, das nicht zur Nachbehandlung geeignet ist. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Aber wie erkenne ich, um welche Art der Reaktion es sich handelt?

1)    Allergie (Kontaktallergie vom verzögerten Typ IV): Die Symptome erscheinen in der Regel nach 24 bis 72 Stunden nach der Anwendung. Typische Hauterscheinungen sind: Rötung, Schuppung, Bläschen und Schwellung. Juckreiz und Brennen sind möglich. Für die Behandlung gilt: weiteren Kontakt mit dem Allergen vermeiden, bei starken Symptomen den Kunden zum Hautarzt verweisen. Eine Kosmetikbehandlung sollten erst nach Abklärung und Ausschluss der Allergene und nach Abheilung der Symptome stattfinden. Die Hautveränderungen heilen in der Regel vollständig ab, Kratzen vermeiden (Gefahr der Narbenbildung)! Häufige Auslöser sind: Duftstoffe, Konservierungsstoffe, Perubalsam, Emulgatoren, Lanolin und pflanzliche Auszüge wie z.B. Kamille oder Arnika.

2)    Unverträglichkeit: Auch wenn die Symptome einer Allergie und einer Unverträglichkeit sehr ähnlich sind, gibt es einen wichtigen Unterschied: Die Allergie ist eine Überreaktion des Immunsystems mit vermehrter Bildung von Antikörpern, bei einer Unverträglichkeit ist das Immunsystem nicht beteiligt und tritt nicht immer, sondern oft auch erst ab einer bestimmten Dosierung auf. Typische Hauterscheinungen sind: Rötung, Schuppen, Pusteln. Juckreiz ist selten, aber möglich, Brennen kann auftreten. Für die Behandlung gilt: weiteren Kontakt mit den verursachenden Produkten vermeiden. Nach Abklingen der Symptome kann eine sanfte Kosmetikbehandlung für sensible Haut durchgeführt werden. Die Symptome klingen in der Regel in wenigen Tagen ab.

3)    Periorale Dermatitis: Die „Stewardessenkrankheit“ betrifft am häufigsten junge Frauen und wird mit einer Überpflegung der Haut in Verbindung gebracht. Gerade häufig wechselnde, okklusive Kosmetika, bei denen die Hornschicht stark aufquillt und sich daher Hefepilze und Bakterien ansiedeln können, werden oft als Auslöser genannt. Mittlerweile stehen auch Magen- und Darmerkrankungen, Stress, fluoridhaltige Zahnpasten und hormonelle Faktoren in Verbindung mit der sogenannten Mundrose. Typische Hauterscheinungen sind: Rötung und flächige Schuppung kreisrund um den Mund, kleine Pappeln und teilweise auch eitergefüllte Pusteln und erhabene Hautflecken. Ausserdem können Juckreiz, Brennen und ein starktes Spannungsgefühl auftreten. Für die Behandlung wird oft die Vermeidung sämtlicher Kosmetik für mindestens sechs Wochen empfohlen, alternativ können nicht okklusive Produkte mit entzündungshemmender Wirkung, gut verwendet werden. Geeignet sind z.B. Produkte mit Ceramiden, Hyaluronsäure, Aloevera-Frischblatt, kühle Kompressen mit Grün- oder Schwarztee (Ziehzeit mind. 5 Minuten). Unter Umständen können die Symptome auch um die Nase oder um die Augen auftreten. Kosmetikbehandlungen sollten erst nach Abklingen der Symptome und nach Absprache mit dem Arzt erfolgen. Die Erkrankung ist meist langwierig, kann immer wieder aufflammen

4)    Gereizte Haut nach einem Intensivtreatment (z.B. Mikrodermabrasion, Needling oder Fruchtsäurebehandlung): Mögliche Hauterscheinungen sind: gerötete Haut, Pusteln, leichte Schuppung oder Schwellung. Juckreiz ist eher selten. Brennen kann auftreten, häufiger ist allerdinges ein Wärmegefühl. Die Behandlung basiert auf beruhigenden, aufbauenden Wirkstoffen wie Lakritze, Kirschblütenextrakt, Aloe vera Barbadensis Miller und Bisabolol – je nach vorhandenen Produkten/ Depot. Die Beschwerden klingen in der Regel nach kurzer Zeit ohne Folgen ab.

Passende SOS-Treatments

Linderung können SOS-Treatments verschaffen, die je nach Ausstattung durchgeführt werden können. SOS Treatment „Natural Healing“: Wenn eine Allergie ausgeschlossen werden kann, verwenden Sie eine milde Reinigungslotion und ein Tonic für sensible Haut. Alternativ legen Sie nur eine Teekompresse (die Zubereitung finden Sie online) auf. Massieren Sie nun sanft zwei Aloe-vera-Barbadensis- Frischblatthälften ein. Während die Aloe-vera noch einziehen kann, führen Sie eine entspannte Nackenmassage z.B. mit Sheabutter durch. Dadurch kann die Kundin mehr entspannen, denn Stress kann die Entzündung verstärken. Tragen Sie als Abschluss eine Tagespflege für sensible Haut auf oder legen Sie nochmals kurz die Teekompresse auf. SOS-Treatment „Skin Relax O2“: Diese Behandlung ist auch für allergische Haut geeignet. Legen Sie eine Teekompresse für ca. fünf Minuten auf. Behandeln Sie anschliessend für 30 Minuten mit der Ionenhaube mit negativ ionisiertem Sauerstoff (Dermio Care). Der negativ ionisierte Sauerstoff wirkt, ohne Zufuhr von eventuellen Allergenen, sehr beruhigend und entzündungshemmend auf die Haut. Zusätzlich kann einer durch Stress ausgelösten Übersäuerung entgegengewirkt werden. Während die Kundin unter der Ionenhaube liegt, kann zur Entspannung eine Handund Armmassage durchgeführt werden. Zum Abschluss noch mal die Teekompresse auflegen. Unsere Haut ist ein lebendiges Organ mit vielen organischen und psychischen Wechselwirkungen, das durchaus anders als vorgesehen reagieren kann. Wenn Haut und Kundin wieder beruhigt sind, steht einer langfristigen Zusammenarbeit nichts mehr im Wege. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg – und immer die gewünschten Hautreaktionen!

Irmi Heindl

Die Kosmetikerin und Visagistin ist seit 2000 Inhaberin des Institutes Kosmetik Schönzeit in Piesenkofen und spezialisiert auf die Gebiete Anti-Aging, Problemhaut und Figurbehandlung. www.schoenzeit-kosmetik.de

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