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Pflege für kranke Kunden

Foto: fototip/Shutterstock.com

Sonne für die Seele

Die Diagnose „Krebs“ ist ein schwerer Schicksalsschlag. Für die Betroffenen ist neben der medizinischen Betreuung die Erhaltung der Lebensqualität genauso wichtig. Hier kann die Kosmetikerin mit einer speziell auf die Bedürfnisse der kranken Kunden abgestimmten Behandlung weiterhelfen.

Kommt eine Kundin ins Institut, ist die Anamnese der  erste Schritt vor der Kosmetikanwendung. So können eventuelle Ausschlusskriterien bzw. Kontraindikationen festgestellt werden. Gerade bei einer Kundin mit einer Krebserkrankung hat die Anamnese eine weitere wichtige Bedeutung: Zu wissen, in welchem Behandlungsstadium sich die Kundin befindet und welche Medikamente sie nimmt, kann dabei helfen, zu verstehen, wie der weitere Behandlungsverlauf aus kosmetischer Sicht zu gestalten ist. Das betrifft vor allem das Hautbild, das durch Chemo- oder Strahlentherapie beeinträchtigt ist. Solange die Hautoberfläche geschlossen ist, sie also keine Risse zeigt, können Kosmetikbehandlungen angewendet werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Kundinnen auf ihre Medikamente mit Hautveränderungen reagieren können, die der Akne ähnlich sind, oder sie haben ein sogenanntes Hand-Fuss-Syndrom, eine schmerzhafte Schwellung der Handinnenflächen und Fusssohlen, die die täglichen Aktivitäten beeinträchtigt. Im ersten Gespräch gibt die Kundin ihr schriftliches Einverständnis vor der „onkologischen Kosmetikanwendung“, damit allen Seiten bewusst ist, dass es sich um eine pflegende Kosmetikanwendung handelt. Sollte etwas unklar sein, muss Rücksprache mit dem zuständigen Facharzt für Onkologie gehalten werden.

Wie verläuft die kosmetische Anwendung?

Vor jeder Behandlung sollte der aktuelle Gesundheitszustand der Kundin angesprochen werden. Dieser kann sich seit dem letzten Termin in unvorhergesehener Weise entwickelt haben. Eventuell sollte eine Gewichtskontrolle vorgenommen werden, da während der  Therapiephasen das Gewicht erheblichen Schwankungen unterliegen kann, was mit dem behandelnden Onkologen besprochen werden sollte. Anschliessend erklärt die Kosmetikerin den Behandlungsablauf für den geplanten Termin an diesem Tag. Danach legt die Kundin Perücke, Mütze oder Kopftuch ab. Je nach Verfassung wünscht sie eine bestimmte Körperlagerung. Produkte, mit deren Hilfe Körperabschnitte in therapeutisch sinnvolle Stellungen gebracht und dort gehalten werden, sind z.B. Kniekeile oder Nackenstützen. Auch wärmende Decken sind empfehlenswert, da es den an Krebs erkrankten Kundinnen schnell kalt wird und sie leicht frieren. Eine Behandlung wird deswegen auch verkürzt, wenn die Kundin über zu langes Liegen klagt.

Die Haut wird gereinigt, je nach Hautbild ein Serum und eine Maske aufgetragen und danach eine Massage durchgeführt. Die Massage wird in diesen Behandlungen durch den behutsam streichenden Massagegriff „Effleurage“ ersetzt, da kein Druck auf die Haut ausgeübt werden sollte. Druck wird in den meisten Fällen als eher unangenehm oder schmerzhaft empfunden.

Pflegeprodukte/Empfehlung

Was die Wahl der Pflegeprodukte betrifft, ist es wichtig zu verstehen, wie die entsprechenden Hautbilder bei Krebskranken entstehen. Durch eine Chemo- oder Strahlentherapie wird der Körper durch die Medikamente sehr beansprucht; dies spiegelt auch die Haut wider. Neben den bereits erwähnten akneähnlichen Hautveränderungen und dem Hand-Fuss-Syndrom können auch Verbrennungen entstehen. Die Haut ist sensibel, irritiert und die Barriereschicht kann zerstört sein. Pflegeprodukte für onkologische Kunden unterliegen gewissen Richtlinien, damit sie verträglich sind. Die Haut benötigt Produkte, die den besonderen Ansprüchen der sensiblen Haut gerecht werden. Jegliche Duftstoffe sind in diesem Fall ein grosses Thema. Diese werden während einer Chemotherapie als sehr unangenehm empfunden oder können allergische Reaktionen auslösen. Deshalb sollten die angewendeten Produkte in jedem Fall frei sein von:

  • Mineralölen,
  • Parabenen,
  • CMR-Substanzen,
  • PEGs und
  • Duftstoffen.

Es kann unterschieden werden zwischen verschiedenen therapiebegleitenden Pflegeprodukten. Das können z.B. sein:

  • Eine Strahlencreme, welche nach der Therapie Irritationen und Rötungen reduziert und mit verschiedenen Wirkstoffen die Heilung der Haut unterstützt.
  • Eine Hand- und Fusscreme mit einem sehr hohen Anteil an Harnstoff (Urea). Sie sorgt dafür, dass die Haut an Händen und Füssen gut versorgt ist. Leider werden die Hände und Füsse oft etwas stiefmütterlich behandelt und als nicht so wichtig erachtet. Früher oder später werden sie aber dann doch in die Pflegerituale mit einbezogen.
  • Ein Nagelserum und ein spezieller Nagelhärter zur Pflege der Nägel. Er kann eine Verfärbung der Fingernägel durch die Therapie verhindern.
  • Pflegende Kosmetik während und nach einer Chemo- und/oder Strahlentherapie. Pflegende Kosmetikprodukte sollten immer eine sehr milde Reinigung, ein Serum, eine Tages- und Nachtpflege sein. Sie können haut- stärkende Substanzen wie die Vitamine A, C und E sowie Mineralien wie z.B. Magnesium, Calcium und Zink enthalten.
  • Masken als ausgleichende Pflege für die beanspruchte Haut sind meine absolute Empfehlung. Sie spenden durch Hyaluronsäure Feuchtigkeit und wirken mit einem hohen Anteil an natürlichen Ölen regenerierend. Zusätzlich bekommt die Kundin immer ein Gefühl von Erholung oder einer kurzen Verschnaufpause, was sich im Alltag bzw. in der Heimpflege der Kundin als „kleines Bonbon“ erweist.

Grundsätzlich sind Pflegeprodukte, die den Feuchtigkeitsgehalt der Haut unterstützen, zu empfehlen. Ein Lichtschutzfaktor in der Tagespflege ist im Fall von onkologischen Kundinnen ebenfalls unerlässlich, denn ein Sonnenbrand in der Zeit einer Therapie ist sehr gefährlich und in keinem Fall mit dem Belastungsgrad einer gesunden Haut zu vergleichen.

Anwendung/Treatment

Es gibt im Bereich der onkologischen Kosmetik verschiedene Möglichkeiten einer Behandlung, z.B. Anwendungen für Gesicht, Hals, Dekolleté, Hände und Füsse oder auch den ganzen Körper. Es werden dabei ausschliesslich Einmalmaterialien verwendet, wenn diese direkten Kontakt mit der Haut haben. Das heisst:

  • Einmalhandschuhe,
  • Einwegspatel,
  • Einmalkompressen und
  • Einwegliegeauflagen.

Die Handdesinfektion ist für die Kosmetikerin von dem Moment, in dem die Kundin ins Institut kommt, bis zum Ende der Behandlung Pflicht. Der Grund ist, dass das Immunsystem der an Krebs erkrankten Kundin sehr geschwächt ist und sich der Körper gegen eventuelle Erreger nicht wehren kann. Ein wichtiger und sehr schöner Bestandteil der onkologischen Kosmetikbehandlung ist die Effleuragemassage. Eine Effleurage ist die Streichung der Körper- oder Gesichtshaut. Sie ist eine Massagetechnik, die mit einer Reihe langer, glatter, rhythmischer Streichungen der Haut entweder mit den Fingerspitzen, meist jedoch mit der flachen Hand angewendet wird. Da es eine oberflächliche Berührung der Haut ist, wirkt sie sehr entspannend und lösend. Sie hilft den Kunden, sich von der Belastung durch die Krankheit und den Alltag zu erholen.

Ziel der Behandlung ist es, das allgemeine Wohlbefinden der Kundin ins Gleichgewicht zu bringen – unter  Berücksichtigung aller genesungsrelevanten Faktoren.

Der Unterschied zur Lifestyle-Kundin

Der Unterschied zur Lifestyle-Kundin, liegt ganz klar bei der Zeiteinteilung. Die an Krebs erkrankte Kundin benötigt für alles ein wenig länger. Ausserdem ist die strengere Hygiene ein  sehr wesentlicher Unterschied, da die  Ansteckungsgefahr durch eine geschwächte Immunabwehr höher ist. Ebenso ist die spezielle Lagerung der Kundin auf der Liege ein Unterschied. Ein weiterer Aspekt ist die Empathie, die für den Umgang mit kranken Kundinnen erforderlich ist. Diese sollte nicht mit Mitleid verwechselt werden. Die Kosmetikerin sollte sich bewusst sein, dass es sich nicht nur um eine Schönheitsbehandlung der Haut handelt, sondern dass durch ihre Tätigkeit die Seele der Kundin immer  auch ein paar  Sonnenstrahlen abbekommt.  Es ist der Umgang mit einem sensiblen Thema. Die Kosmetikerin – und  das ist das Wunderbare daran – bekommt sehr viel von diesen Kundinnen zurück.

Tatjana Esslinger │Die staatlich anerkannte Kosmetikerin hat sich auf den onkologischen Bereich spezialisiert. In ihrem Institut für Pigmentierung und Medical Beauty bietet sie neben Treatments auch Beratung und Coaching an. www.coloursline.de

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