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Heimgeräte - Konkurrenz oder Kundenbindung?

Foto: Africa Studio/Shutterstock.com

Der Markt der Home Use Devices (HUD) erfährt eine rasante Entwicklung. Hat dies zur Folge, dass das klassische Kosmetikinstitut zum Auslaufmodell wird? Medizinconsultant Astrid Tomczak analysiert Chancen und Möglichkeiten.

Viele Endverbraucher sind von der Idee begeistert, kosmetische Behandlungen in den vertrauten eigenen vier Wänden, durchführen zu können. Dieser Trend geht Hand in Hand mit dem seit den späten 80igern beobachteten „Cocooning“ (aus dem Englischen übersetzt:

Verpupppen, Einspinnen). Hier handelt es sich um eine Tendenz unserer hochindividualisierten Zivilgesellschaft, sich vermehrt aus der als stressig, kompliziert und uninteressant empfundenen Öffentlichkeit in das häusliche Privatleben zurückzuziehen.

Der Trend zum Cocooning mag insofern einen Teil des Erfolgs der HUD erklären.

Marktentwicklung

Der Markt für Home Use Devices wird auf einen Wert von weltweit 2,3 Milliarden Dollar im Bereich des klassischen Einzelhandels beziffert. Der Umsatz von Kosmetik wird im Vergleich dazu auf über 400 Milliarden Dollar weltweit geschätzt. So gesehen, ist der gegenwärtige Home-Use-Devices-Markt noch recht klein. Durch die Produktkreationen einiger global agierender Unternehmen wie Unilever, P&G, Philips, L’Oreal, J&J und Clinique hat er jedoch das Potenzial, sich in den nächsten Jahren dramatisch zu vergrössern. Eine Ende 2014 weltweit durchgeführte Umfrage (Tabelle rechts) zeigt, dass Frauen bereits viele Schönheitsbehandlungen zu Hause durchführen. 

Anwendungsgebiete

Die HUD-Produkte grosser Konzerne basieren häufig auf laser- und LEDTechnologien. Hier ist ein klarer Fokus auf die Themenbereiche Haarentfernung, Haarwachstum sowie Hautpathologien erkennbar. Im Fachvertrieb von HUDs an deutsche Kosmetikinstitute dreht sich dagegen fast alles um schöne, jugendliche Haut. Mit Technologien wie Ultraschall, Iontophorese, Wärme, Galvanik (Feinstrom) oder Needling wird die Haut gereinigt, aktiviert, aufgehellt, entknittert und gestrafft. Auch Narben- und Schwangerschaftsstreifen sowie trockene und gereizte Haut können mit diesen Technologien verbessert werden. Einige wenige Anbieter haben auch Lösungen gegen Akne, Couperose oder Psoriasis im Angebot.

Produktsicherheit

Home Use Devices sind regulatorisch in einer Zwischenwelt zwischen Kosmetik und Medizinprodukten angesiedelt. Sie unterliegen bisher keiner formalisierten Zulassung. Das bedeutet auch, dass die Geräte weder einer regelmässigen sicherheitstechnischen Kontrolle noch einem Wirksamkeitsnachweis unterliegen. Studiendaten liegen i.d.R. nicht vor. Meist wird mit Nutzererfahrungen und Tests geworben. Dies ist insofern erstaunlich, als Verfahren wie Iontophorese oder Ultraschall durchaus Risiken beinhalten und bei bestimmten Patienten nicht angewendet werden dürfen. Die Strahlenschutzkommission hat daher bereits 2012 Hinweise zum Risiko solcher Anwendungen für nichtmedizinische Indikationen gegeben.

Vor allem im Frequenzbereich zwischen 1 bis 3 MHz soll ausschliesslich eine Anwendung durch approbierte Ärzte oder medizinisch geschultes Fachpersonal mit Wissensnachweis gestattet werden. Diese Geräte sind nach dem Wunsch der Kommission dem Medizinprodukterecht zu unterwerfen, um so eine höhere Patientensicherheit zu gewährleisten. Auch Produkte zur Linderung von Hautpathologien können aufgrund der medizinischen Zweckbestimmung kraft Gesetzes zu Medizinprodukten werden. Letztlich wird es daher eine Frage der Zeit sein, bis der Gesetzgeber hier regulierend eingreift. In den USA wird für HUD eine verkürzte „Zulassung“ durch die FDA, die sogenannte 510k Clearance, vorgenommen. Den diversen Sicherheitsbedenken nimmt sich seit einigen Jahren die „Home Use Device Working Group“ an. Hierbei handelt es sich um ein Team internationaler Haut- und Haarexperten. Sie haben einen ersten internationalen Sicherheitsstandard für „Cosmetic and beauty care appliances incorporating lasers and intenselight“ erarbeitet. Dieser wurde im März 2016 publiziert (IEC 60335-2-113) und im August 2017 auf dem „5CC congress“ (5 Kontinente-Kongress) in Barcelona vorgestellt.

HUDs – neue Chancen?

Bereits 2014 wurden im Schnitt 61% der klassischen Beautybehandlungen zu Hause durchgeführt. Betrachtet man diese Entwicklung, kommen erhebliche Zukunftsbedenken auf.

Marktkenntnis

Der Markt für HUD ist bereits jetzt für den Laien ziemlich undurchdringlich und unübersichtlich. Aufgrund der fehlenden Regulierung der Produkte gilt das Heilmittelwerberecht (HWG) nur in Ausnahmefällen. So kann die Industrie mit vollmundigen Versprechungen und Fachbegriffen werben, die kein Normalverbraucher für sich einordnen, geschweige denn verstehen kann. Hier ist eine Übersetzer- und Sortierfunktion gefragt, die dem Endverbraucher hilft, Produktkenntnisse in verständlicher Form zu erhalten und Werbeaussagen im rechten Licht zu sehen. Dies kann nur durch geschultes Fachpersonal mit jahrelanger Erfahrung in der Kosmetikbranche erfolgen. Denn „mal so eben“ kann sich niemand in diese komplexe Materie einarbeiten. Es wird also für jede Kosmetikerin wichtig sein, sich auch über den Tellerrand des Fachvertriebs hinaus über neue Entwicklungen im Bereich der Beautytechnologien zu informieren. Denn nur wer die erforderliche Marktkenntnis hat, kann als Ansprechpartner und Referenz für seine Kunden fungieren.

Fachberatung

Eine Vielzahl von Home Use Devices wird über das Internet und grosse Kaufhausketten vertrieben. Der potenzielle Anwender steht einem Angebot gegenüber, dessen Qualität und Spezifikationen er in keinster Weise beurteilen kann. Eine fachkundige Beratung, die für eine informierte Kaufentscheidung notwendig wäre, ist Mangelware. Das bedeutet häufig nicht nur Enttäuschung über einen Fehlkauf, Geld- und Zeitverlust, sondern auch ein hohes Risiko für Fehlanwendungen. Um das richtige Gerät für den individuellen Bedarf zu finden, muss zunächst das Problem exakt erkannt werden. Hierzu bedarf es der Kompetenz von Pflegespezialisten wie der Kosmetikerin. Aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Kundin und Kosmetikerin haben letztere einen intimen Zugang zu den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Klientel. So lässt sich sicher und effizient eine passende Gerätelösung für das individuelle Hautproblem finden, was nicht zuletzt den Umsatz im Kosmetikinstitut steigert. Denn klar ist: Wer in Gerätefragen berät, sollte auch selbst solche Produkte zum Kauf anbieten.

Professionelle Konzepte

Ob ästhetische Medizin oder Kosmetik: Moderne Behandlungskonzepte bestehen heute aus Kombinationstherapien, die durch ein professionelles Pre- und Post-Treatment abgerundet werden. Längst gehören die Zeiten der Vergangenheit an, in denen ein „Mittel“ der alleinige Heilsbringer war. Auch Kundinnen ist sehr bewusst, dass sie selbst tätig werden müssen, um die Qualität ihrer Haut auf Dauer bestmöglich zu erhalten. Daraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, den Trend zu Home Use Devices im Kosmetikinstitut zu nutzen. Es können Behandlungskonzepte erstellt werden, die eine entsprechende Vorbereitung der Haut vorsehen. Hier sind z.B. Behandlungen zur Hautreinigung und -aktivierung denkbar. Hautirritationen, die eine Kosmetikbehandlung verhindern, können zunächst zu Hause gemindert werden. Eine nachsorgende Pflege, welche einen möglichst langen Erhalt der kosmetischen Behandlung zum Ziel hat, ist eine weitere interessante Möglichkeit, um Kundenzufriedenheit und Umsatz zu stärken. Viele Gerätehersteller aus dem Fachvertrieb bieten zu ihren Geräten eigens entwickelte Pflegeprodukte an. Diese bieten eine hervorragende Möglichkeit, wiederkehrende Einnahmen durch Folgeverkäufe zu generieren. Nicht jede Behandlung ist zudem nach einer Sitzung abgeschlossen. Für die Intervalle zwischen den Besuchen im Kosmetikstudio kann zu Hause mit der passenden Geräte-Pflege-Kombination weitergearbeitet werden. So erhöht sich nicht nur der Behandlungserfolg, sondern auch die Adhärenz an das vorgeschlagene Therapiekonzept.

Kundenbindung

Letztlich hängt der Erfolg eines Kosmetikstudios von der Loyalität des Stammpublikums ab. Diese Loyalität wird nicht, wie oft gedacht, durch den geringsten Preis erzielt, sondern vor allem durch Kompetenz, Verlässlichkeit und Innovation. Die HUDs bieten eine gute Möglichkeit, sich durch Spezialkompetenz vom Wettbewerb abzuheben, neue Therapiekonzepte zu entwickeln und so zusätzliche Einnahmen zu generieren. Bei aller Innovationslust ist ein besonderes Augenmerk auf Qualität und Sicherheit der Produkte zu legen. Dies alles bedarf eines gewissen Aufwands, denn ohne eine dezidierte Marktkenntnis und eine hohe Beratungskompetenz wird der Kunde mittelfristig an den Retailbereich verloren gehen. Es bleibt daher dabei: Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück (Laotse).

Astrid Tomczak

Die studierte Betriebswirtin ist seit 2006 in der ästhetischen Medizin tätig und berät Unternehmen zu Market-Access-Strategien. Sie verfasst regelmässig Artikel zu betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Themen der Branche.

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