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Foto: Dilok Klaisataporn/shutterstock.com
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Interview – Es ist nie schön, wenn gute Mitarbeiterinnen kündigen. Aber was tun, wenn gleich mehrere Angestellte das Studio verlassen, um sich selbstständig zu machen? Ein Szenario, das vielen Nail-Studiobesitzern bekannt sein dürfte. Auch Marta Otero, Inhaberin des Nagelstudios „Martanails“, hat eine solche Krise erlebt und erzählt im Interview, wie sie gelernt hat, damit umzugehen.

Foto: Autorin
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BEAUTY FORUM: Frau Otero, wie und wann haben Sie Ihre Mitarbeiterinnen verloren?

Es passierte im Jahr 2014. Ich hatte damals sechs festangestellte Mitarbeiterinnen und drei Aushilfen. Es waren tatsächlich auch diese sechs Mitarbeiterinnen, die kündigten – und zwar auf einmal, innerhalb von zwei Monaten: Zwei Personen kündigten auf Ende April, die anderen vier auf Ende Juni.

… um sich selbstständig zu machen?

Jein. Zwei der Mitarbeiterinnen gründeten jeweils einen neuen Salon, eine davon gerade einmal etwa 800 Meter von meinem Studio entfernt.

Zu einem späteren Zeitpunkt, haben sich aber auch die anderen ehemaligen Mitarbeiterinnen selbstständig gemacht.

Wie hat sich das auf Ihr Studio ausgewirkt?

Davor hatte ich monatlich zwischen 450 und 500 Kundinnen. Da jede Mitarbeiterin einen Grossteil meiner Stammkundinnen mitgenommen hat, blieben mir danach noch etwa 150-200 Stammkundinnen. Meine Kundschaft ist also in kürzester Zeit auf circa ein Drittel geschrumpft.

Was glauben Sie, woran das lag?

Ich denke, ein ausschlaggebender Grund ist, dass man in der Nail-Branche sehr wenig Kapital braucht, um sich selbstständig zu machen. Was es hingegen braucht, sind Stammkunden. Ab einem gewissen Punkt fangen einige an zu rechnen und denken, dass sich eine Selbstständigkeit lohnen würde. Im Nail-Sektor scheint es insgesamt mehr Einzelgänger zu geben, während in der Friseurbranche grosse Salons mit vielen Angestellten üblich sind. Ein weiterer Punkt war sicher auch, dass ich meine Mitarbeiterinnen alle sehr gemocht habe und daher auch schwer Grenzen setzen konnte. Ich habe mich oft gefragt, wie ich sie hätte halten können. Ich denke aber, wenn der Wunsch da ist, dann setzt sich das irgendwann durch.

Ist der Wunsch nach Selbstständigkeit nicht auch legitim?

Doch. Jeder kann sich selbstständig machen, allerdings muss man sich an den Vertrag halten. Das bedeutet, dass die Kilometerzahl eingehalten werden muss und dass nicht aktiv abgeworben werden darf! Das entspricht unserer Treuepflicht und Konkurrenzklausel. Man kann natürlich nicht den Beruf verbieten, aber die Kundschaft muss selbst aufgebaut werden und das Studio muss in einer entsprechenden Entfernung eröffnet werden.

Wie sind Sie mit der Situation umgegangen?

Es war anfangs sehr schwer. Ich habe zwei Monate erst einmal versucht herauszufinden, ob ich rechtlich dagegen vorgehen kann. Aber meine Verträge waren einfach nicht gut genug. Ich hatte zwar eine Konkurrenzklausel darin, in der die Kilometerzahl und die Monate begrenzt waren, aber keine Summe angegeben, die bei einem Verstoss dagegen gezahlt werden muss. Ich hätte ausserdem mit meinen verlorenen Kundinnen vor Gericht gehen müssen, um meinen Verlust zu beweisen – das war nicht praktikabel. Vom Rechtsschutz bekam ich 800 CHF. Das habe ich angenommen und mich damit neu ausgerichtet.

Gab es einen Moment, an dem Sie aufgeben wollten?

Nein. Aufgeben war von Anfang an keine Option für mich. Ich wusste zwar anfangs nicht, wie es weitergehen soll, auch finanziell, aber ich wusste, irgendwie muss es gehen. Ich bin Alleinverdienerin und alleinerziehend, wobei meine Mutter mich unterstützt, wo sie kann. Dennoch: Ich hätte überhaupt nicht aufgeben können!
Es war in meinem Leben schon immer so, dass ich an Herausforderungen gewachsen bin, selbst wenn Menschen in meinem Umfeld glaubten, mein Vorhaben sei unmöglich. Mein Durchhaltevermögen und meine Zielstrebigkeit haben mir dabei sehr geholfen. Emotional hat mich das alles jedoch sehr lange beschäftigt.

Sind in der Nail-Branche generell Durchhaltevermögen und ein dickes Fell nötig?

Ja. Das sagen auch viele Kollegen, die schon lange in der Branche arbeiten. Ein Beispiel: Als Neuling im Naildesign braucht man im Schnitt vier bis fünf Stunden für ein Nail-Set. Ein Profi schafft das in 60 bis 90 Minuten.

Wie sind Sie danach wieder auf die Beine gekommen?

Im September 2014 entschied ich, dass es nur einen Weg gibt: vorwärts. Im Rahmen dieses Neuaufbaus kamen nicht nur neue, wirklich sehr gute Mitarbeiterinnen zu mir, sondern auch viele Neukundinnen. Ich habe mich in die Arbeit gestürzt, war lange im Geschäft, habe meine Stammkundinnen gepflegt und mich auf den Wiederaufbau meines Studios konzentriert.

Was kann man tun, um den Verlust von Mitarbeiterinnen zu verhindern?

Zunächst einmal denke ich, dass es leider häufig passiert, dass Mitarbeiterinnen gehen und Kundinnen mitnehmen. Ich habe daraufhin meine Verträge angepasst, sodass sich zwar auch nach 2014 Mitarbeiterinnen von mir selbstständig gemacht haben, aber immer im Rahmen der Konkurrenzklausel und der Treuepflicht. Ich habe also Klarheit geschaffen und dafür gesorgt, dass die Verträge mich schützen.

Haben Sie weitere Massnahmen ergriffen, um sich und Ihr Studio weiterzuentwickeln?

Ich habe externe Schulungsleiterinnen engagiert und auch für mich Coachings gebucht, um dazuzulernen, wie ich mein Team am besten führen kann. Ich habe viele Bücher gelesen, wie man mit schwierigen Situationen umgeht und seine Persönlichkeit weiterentwickelt. Die Arbeit an mir selbst war mir sehr wichtig.

Haben Sie etwas durch die Krise gelernt?

Ja! Abgesehen von den Punkten, die wir bereits besprochen haben – die Verträge und die Persönlichkeitsentwicklung – habe ich auch gelernt, mit Krisen umzugehen. Ein extrem wichtiger Punkt, der mir auch jetzt nach Ausbruch des Coronavirus‘ geholfen hat. Anstatt dass mich Verlustängste plagten, wusste ich gleich, was zu tun war. Besonders wichtig war für mich zu lernen, dass man Vertrauen in neue Mitarbeiter haben muss.

Was würden Sie Studiobesitzern in einer ähnlichen Situation raten?

Nehmen Sie es nicht persönlich und zweifeln Sie nicht an sich selbst! Trotzdem ist es wichtig, dass Sie die Situation genau analysieren und sich überlegen, was Sie verbessern können. Holen Sie sich Hilfe und passen Sie Ihre Verträge wenn nötig an. Ganz wichtig: Geben Sie nicht auf und verlieren Sie nicht das Vertrauen in andere oder neue Mitarbeiterinnen!
Manchmal kann eine Krise auch eine Chance sein. Auch wenn Sie es im ersten Moment nicht sehen können – nehmen Sie die Situation als Möglichkeit der Weiterentwicklung wahr.

Marta Otero

... ist Inhaberin und Geschäftsführerin ihres Nagelstudios „Martanails“ in Bülach.

www.martanails.ch 

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