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Arzneimittelreaktionen

Foto: ollyy/Shutterstock.com

Was verträgt die Haut?

Etwa ein Viertel aller Erwachsenen erleidet allergische oder pseudoallergische Arzneimittelreaktionen. Die Haut fungiert dabei oftmals als Signalorgan.

Medikamenteninduzierte Reaktionen der Haut sind im klinischen Alltag keine Seltenheit. Besonders häufig manifestieren sie sich in Form allergischer Soforttypreaktionen wie etwa Urtikaria (Nesselsucht) und Angioödem (akute Schleimhautschwellung), Rhinitis, Asthma und im Extremfall als anaphylaktischer Schock mit Herz-Kreislauf- und Atemstillstand. Ein Atemstillstand wird ausgelöst, indem die Mastzellen der Haut Histamin und entzündungsfördernde Zytokine freisetzen. Charakteristischerweise treten kurz nach Medikamentenexposition – innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden – Quaddeln am gesamten Körper auf und/oder die Schleimhäute schwellen an. Auch Atembeschwerden, Bronchospasmus und Kehlkopfschwellung sind zu verzeichnen. Zu den häufigsten Auslösern gehören Antibiotika – hier sind an erster Stelle Penicilline und Cephalosporine zu nennen – sowie nichtsteroidale Antirheumatika, aber auch einige Blutdrucksenker. Die Therapie der Anaphylaxie erfolgt gemäss dem Schweregrad mit Adrenalin, Antihistaminika und systemischen Steroiden. Sie gehört zu den wenigen, aber sehr ernst zu nehmenden dermatologischen Notfällen.

Anaphylaktoide Reaktionen können aber auch ohne eine vorhergehende Sensibilisierung zu den gleichen klinischen Krankheitsbildern führen. Bei solchen pseudoallergischen  Reaktionen setzen die Mastzellen infolge toxischer oder pharmakologischer Wirkungen Entzündungsmediatoren frei. Ein bekanntes Beispiel sind pseudoallergische Reaktionen auf nichtsteroidale Antiphlogistika im Rahmen einer Analgetikaintoleranz. Auch auf Kontrastmittel reagieren Patienten häufig auf diese Weise. Unverträglichkeitsreaktionen auf Lokalanästhetika gehen zumeist auf Estercaine zurück. Bei einer Vollnarkose sind v.a. Muskelrelaxanzien, Volumenersatzmittel und Latex ursächlich für anaphylaktische beziehungsweise anaphylaktoide Reaktionen.

Verzögerte Reaktionen

Die verzögerten allergischen Reaktionen treten mehrere Stunden nach Einnahme des entsprechenden Medikaments auf. Der vorliegende Pathomechanismus beruht auf einer Komplexbildung von Antikörper und Sensibilisator. Es folgt eine Komplementaktivierung oder eine Bindung von Antikörper und Allergen an Zellen mit zytotoxischer Einwirkung. An der Haut erscheinen sie als Purpura oder Vaskulitis. Makulopapulöse Arzneimittelexantheme: Die sogenannten makulopapulösen Arzneimittelreaktionen sind die häufigste Form medikamenteninduzierter Exantheme. Sie treten bei 1–5 % aller Medikamentenerstverordnungen auf. Die Ausschläge sind meist rumpfbetont und von mehr oder weniger intensivem Juckreiz begleitet. Sie sind in den allermeisten Fällen harmlos.

Zwischen dem Beginn der Medikamenteneinnahme und dem Beginn des Ausschlags können 4–21 Tage liegen. Der klinische Verlauf ist immer komplikationslos. Nach 1–2 Wochen kommt es üblicherweise zur spontanen Rückbildung. Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung makulopapulöser Exantheme besteht für Patienten mit HIV-Infektion, nach Knochenmarkstransplantation und bei akuter infektiöser Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber). In letzterem Fall kommt es fast obligatorisch nach Verabreichung von Aminopenicillinen zu einem ausgeprägten Exanthem. Eine symptomatische Behandlung mit Antihistaminika und topischen Kortikosteroiden kann bei starkem Juckreiz sinnvoll sein. Systemische Kortikosteroide sind in der Regel nicht erforderlich.

Blasenbildende (bullöse) allergische Reaktionen

Neben dem anaphylaktischen Schock sind die blasenbildenden allergischen Arzneimittelreaktionen besonders gefürchtet. Stevens-Johnson-Syndrom: Bei diesem schweren und lebensbedrohlichen Krankheitsbild stehen erosive Schleimhautläsionen im Vordergrund. Toxische epidermale Nekrolyse: Bei der toxischen epidermalen Nekrolyse werden zwei Formen unterschieden. Beide gehören zu den gefährlichsten, nicht selten zum Tode führenden bullösen Arzneimittelreaktionen. Bei der ersten Form handelt es sich um ein Krankheitsbild, das mindestens zwei Schleimhautareale und mehr als 30 Prozent der Körperober fläche erfasst. Es beginnt langsam mit zumeist schmerzhaft empfundenem Erythem, das sich bis zur Blasenbildung über Tage steigert. Nicht selten ist diese Reaktion durch Fieber begleitet.

Krampflösende Medikamente (Antikonvulsiva) wie Phenytoin oder Carbamazepin sind häufige Ursachen. Demgegenüber steht eine zweite Form, bei der es plötzlich ohne wesentliche Vorwarnung zu einer Lösung grosser Hautflächen kommt. Diese sehr schmerzhafte Form führt besonders häufig zum Tod.

Photoallergische und phototoxische Reaktionen

Ebenfalls bis zur Blasenbildung können phototoxische und photoallergische Reaktionen führen. Sie entstehen durch eine Wechselwirkung zwischen dem Medikament oder seinen Metaboliten und UV-Strahlen. Klinisch sind sie durch ihre Lokalisation an lichtexponierten Hautarealen gekennzeichnet. Medikamente, bei denen solche Reaktionen häufig beobachtet werden, sind Tetracycline, Sulfonamide, Chinolone und nichtsteroidale Antiphlogistika.

Fixe Arzneimittelreaktion

Eine bislang pathogenetisch noch wenig verstandene Reaktion ist die fixe Arzneimittelreaktion. Dabei handelt es sich um allein stehende, scharf begrenzte Hauterscheinungen, teils mit zentraler Blase, die vor allem im Genitalbereich oder an Schleimhäuten auftreten. Gelegentlich kann sie sich auf den gesamten Körper ausbreiten. Sie bildet sich immer rasch unter Hinterlassung einer postinflammatorischen Hyperpigmentierung zurück. Fixe Arzneimittelreaktionen auslösende Medikamente sind zumeist Barbiturate, Tetracycline und Phenolphthalein.

Therapie von Arzneimittelreaktionen

Die Behandlung der anaphylaktoiden Reaktion auf Arzneimittel richtet sich nach dem Schweregrad der Reaktion. Sie muss sehr schnell eingeleitet werden und erfordert notärztliche Betreuung. Sowohl beim allergischen Arzneimittelexanthem als auch bei bullösen Arzneimittelreaktionen steht die Behandlung mit Glukokortikoiden im Vordergrund. Hat z.B. ein Patient bereits bei einer Kontrastmitteluntersuchung oder Vollnarkose in der Vergangenheit eine anaphylaktoide Reaktion gezeigt, ist die prophylaktische Gabe von Antihistaminika und Glukokortikoiden vor einer erneuten Untersuchung sinnvoll.

Diagnostik

Gerade bei allergischen und pseudoallergischen Arzneimittelreaktionen ist die Diagnostik zur Klärung des ursächlichen, die Reaktion auslösenden Arzneimittels ein wichtiger Bestandteil auch der Therapie, da nur durch sie eine erneute Reaktion sicher vermieden werden kann.

Ziel der Diagnostik ist die Identifizierung des für die jeweilige Reaktion verantwortlichen Medikaments – und soweit möglich – des Mechanismus einer allergischen oder pseudoallergischen Reaktion, durch den die Erkrankung verursacht wurde. Gerade diese Differenzierung kann wichtig für die Risikoeinschätzung bei zukünftigen Expositionen sein.

Die Diagnostik beginnt mit der sorgfältigen Anamnese. Am wahrscheinlichsten sind die Arzneimittel die Ursache, die in den letzten zwei Wochen vor Beginn der Symptomatik angesetzt wurden und zumeist einige Tage zuvor noch gut vertragen wurden.

Hauttest

In der weiteren Diagnostik kann die Haut wiederum wichtiges Signal- beziehungsweise Testorgan sein. Hauttestungen sollten frühestens 2–3 Wochen, aber spätestens 3 Monate nach Abklingen der Reaktionssymptomatik bzw. einer systemischen Glukokortikoidund/ oder Antihistaminikatherapie durchgeführt werden. Standardisiert ist die Testung bei Verdacht auf Penicillinsensibilisierung sowie auf bestimmte Lokalanästhetika. Möglich sind Prick-, Intrakutan-, Epikutantestung und ggf. eine Provokationstestung. Für Hauttestungen bei weiteren Arzneimittelgruppen wie Sulfonamiden, Antikonvulsiva, Muskelrelaxanzien und nichtsteroidalen Antiphlogistika wie zum Beispiel Diclofenac bestehen Testprotokolle. Für einige Medikamente wie Penicilline und Muskelrelaxanzien lässt sich im Blut das spezifische IgE bestimmen.

Patienten mit einer Arzneimittelallergie sollten grundsätzlich einen Allergiepass bei sich führen. Er soll nicht nur das verdächtigte Medikament angeben, sondern auch die Begründung des Befunds (zum Beispiel Anamnese, spezieller IgE-Nachweis, positive Haut-testreaktion) sowie bei entsprechender Überprüfung Ausweichpräparate nennen.

Auslösende Medikamente

Die häufigsten auslösenden Medikamente sind bestimmte Antibiotikagruppen wie ß-Lactam-Antibiotika und Sulfonamide. Auch Antikonvulsiva wie Phenytoin und Carbamazepin, nichtsteroidale Antiphlogistika (z.B. Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Pyrazolonderivate), Muskelrelaxanzien, Plasmaexpander, Latex, Kontrastmittel oder Opiate bergen ein hohes Risiko. Grundsätzlich sind Arzneimittelallergien ernst zu nehmende Krankheitsbilder, die sich an der Haut zeigen. Schleimhautbefall, Blasenbildung, Lymphknotenschwellung und Allgemeinsymptome wie Übelkeit und Kreislaufschwäche sind Zeichen schwerer Arzneimittelreaktionen. Diese sind sehr ernst zu nehmen und bedürfen einer umgehenden notärztlichen Versorgung.

Dr. med. Cordula Anhudt | Die Fachärztin für Dermatologie und Venerologie betreibt eine eigene Hautarztpraxis auf Mallorca (Bendinat) mit den Schwerpunkten ästhetische Dermatologie, Hautverjüngung, Dermatokos metik und Lasermedizin.

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